Vortrag auf der DPG-Tagung des Fachauschusses Didaktik der Physik am 10.3.1997 in Berlin |
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Das zweite Objekt, das ich vorstellen möchte, ist der Zwei-Scheiben-Roller. Wenn man eine homogene Kugel eine leichtgeneigte Ebene hinunterrollt, bleibt der Abstand der Kugelmittelpunkts, der zugleich Schwerpunkt ist, in konstantem Abstand von der Ebene. Das Gleiche gilt für einen Zylinder. Der Schwerpunkt beschreibt beim Rollen eine gerade Linie. Schneidet man aus einem Zylinder zwei elliptische Scheiben geeignet aus (Abb. 3), bewegt sich der Schwerpunkt ebenfalls in konstantem Abstand und auf einer geraden Linie. Im rechten Teil von Abbildung 3 sind zwei Halbkreise senkrecht miteinander verbunden. Auch hier bleibt der Abstand des Schwerpunkts von der Ebene offensichtlich konstant. Seine Bahn ist aber keine gerade Linie mehr. Sie ähnelt vielmehr einer Schlangenlinie. Beim Abrollen bewegt sich dieser Zwei-Halbkreis-Roller taumelnd hin und her. Er wird im Englischen deswegen auch Wobbler genannt.
Abb. 3: Zwei aus einem Zylinder ausgeschnittene elliptische Scheiben halten beim
Abrollen auf einer schiefen Ebene einen konstanten Schwerpunktabstand zur Ebene. Die Bahn
des Schwerpunkts ist eine Gerade. Der Schweizer Künstler Rolf Hergert hat nach diesem Prinzip ein Objekt geschaffen, das er Go-On nennt (Abb. 4). Es ist aus dem lichtsammelnden Material LISA gefertigt, welches häufig zu Werbezwecken eingesetzt wird. In das klare Plastikgrundmaterial sind fluoreszierende Moleküle eingelagert. Das führt zu dem interessanten Effekt, das das eindringende Licht intensitätsverstärkt an den Kanten austritt. |
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Verbindet man zwei
ganze Kreisscheiben senkrecht zueinander, wie das in der Abb. 5 gezeigt ist, ergibt sich
für einen - und nur diesen - Abstand der Mittelpunkte der Scheiben ebenfalls, das der
Abstand des Schwerpunkts von der Ebene konstant bleibt. Die etwas längliche Rechnung dazu
möchte ich hier nicht durchführen [3]. Die Bahn des Schwerpunkts sieht ebenfalls schlangenförmig aus. Bei dem Roller aus zwei Halbkreisscheiben ist diese Schlangenlinie mathematisch ziemlich einfach beschreibbar als aus Teilen von Kreisen zusammengesetzt (Abb. 6). |
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Ein einfaches Beispiel sind die am Rand eingeschnittenen Kreisscheiben des Konstruktionsspielzeuges Rondi (Abb. 8). Steckt man zwei der Scheiben bis zum Anschlag ineinander, ist die Abstandsbedingung ziemlich genau erfüllt. Der Hersteller hatte das allerdings nicht beabsichtigt. | |||||
Die englische Künstlerin A. Alley hat einen großen Zwei-Scheiben-Roller geschaffen und ihn Rocking Toy genannt (Abb. 9). Hier ist die Abstandsbedingung nicht erfüllt. Das hat zur Folge, daß das Objekt nach einem Anstoß hin- und herwackelt. | |||||
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Mit Bieruntersetzern (Bierfilze) lassen sich sehr gut Zwei-Scheiben-Roller bauen. Auch elliptische Bieruntersetzer eignen sich hervorragend. Mit meinem Koauthor C. Engelhardt konnten wir unseren Bedarf irgendwann in normalen Gaststätten nicht mehr befriedigen und schrieben an eine Brauerei. Die Reaktion war außerordentlich positiv. Wir bekamen mehrere hundert Bieruntersetzer und mehrere Kästen Bier zur Förderung unserer Forschungsaktivitäten. | |||||
Bei näherer Untersuchung der Rollbewegung ergibt sich, daß eine einbeschriebene Kugel mit dem Radius (b = kleine Halbachse der Ellipse) den ebenen Untergrund immer berührt (Abb. 10). Verfolgt man die Berührkurve auf dieser Kugel ergibt sich gerade eine sogenannte Tennisballkurve. In Abb. 11 ist diese Kurve als Schnitt eines hyperbolischen Paraboloids mit einer Kugel dargestellt. Von hier kann man tiefer in die Mathematik der Kegelschnitte eintauchen. | |||||
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Verbindet man die Auflagepunkte eines Zwei-Kreis-Rollers sukzessive miteinander, erhält man einen ästhetisch aussehenden Körper (Abb. 12), den die Mathematiker als Torse bezeichnen. In diesem Fall ergibt sich ein konvexer Hüllkörper, der sich in der Ebene abwickeln läßt. | |||||
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